Heute besprechen wir das Buch TETRAGONIUM von Michael Maniura, erschienen beim Verlag Europa Buch. Wir präsentieren hier ein Interview mit dem Autor des Buches, um die literarischen Aspekte und die wichtigsten Erfahrungen zu verdeutlichen, die in diesem Text verdichtet sind. Wir besprechen auch die wichtigsten Themen, die der Autor im Laufe seines Schreibens anspricht und die er mit seinen Leserinnen und Lesern teilen möchte.
TETRAGONIUM von Michael Maniura, erschienen beim Verlag Europa Buch, ist ein Roman, der im Jahr 2050 mit der Raumfahrt von drei Wissenschaftlern beginnt. Diese Wissenschaftler befinden sich in der ‚Stanley Kubrick‘ auf dem Weg zum Mars, um dort in der Forschungsarbeit tätig zu sein. Marius, der Geologe – Nathaniel, der Physiker und Eugène, der Philosoph verbringen dort gemeinsam zwei Jahre, die vor allem für Eugènes Schicksal prägend sein werden.
Hier ist das Interview mit dem Autor: Viel Spaß beim Lesen.
Welche Themen bestimmen das Buch?
Eine Expedition zu einem benachbarten Gestirn ist Teil der Themenpalette, seit fantastisch-utopische Literatur existiert. Dabei wurden zwei Möglichkeiten ausgeschöpft: Entweder treffen die unbedarften Erdbewohner auf durchgeistigte Kreaturen, die ihnen utopische Gesellschaftsformen nahebringen, oder die Außerirdischen sind technisch haushoch überlegen und ihr einziges Sinnen und Trachten besteht darin, die Menschheit auszurotten und die Erde für sich zu erobern.
»Tetragonium« beschreibt eine Begegnung auf Augenhöhe. Das wird durch die Tatsache dokumentiert, dass der Mars, die Begegnungsstätte, für beide ein fremder Planet ist. Die Besucher von Ganymed sind denen von der Erde zwar technisch geringfügig überlegen, aber philosophisch rückständiger, was sie selbst zugeben. Die unterschiedlichen Sphären, in denen beide Spezies leben, dienen einem anderen Zweck als dem direkten Kräftemessen.
Sollte es zu einem kriegerischen Erstkontakt kommen, befürchte ich, dass es der selbsternannte homo sapiens ist, der als Angreifer auftritt, und nicht der tentakelbewehrte Glibberorganismus von Aldebaran. »Tetragonium« ist das Buch über einen friedlichen Erstkontakt, den ich für möglich halte, vorausgesetzt, beide Seiten schicken vernünftige Vertreter aus ihrer Mitte.
Was sind die grundlegenden Merkmale unserer Spezies, die Sie in Ihrem Roman hervorheben?
Der letzte Absatz zur ersten Frage beantwortet diese zum Teil. Die grundlegenden Merkmale meiner drei Protagonisten ist Wissensdurst und nicht Gewinnsucht, auch wenn sie die eine oder andere Schwäche zeigen. Damit stelle ich klar, wer nicht einer Expedition dieser Qualität zugeteilt werden sollte, nämlich Goldsucher und Glücksritter, denen jedes Mittel zu ihrer Bereicherung recht ist. Dass innerhalb von Forschergruppen durchaus unterschiedliche Meinungen bestehen können und dürfen, geht aus den Diskussionen der Thuvia- und Aëlita-Besatzungen hervor, während sie sich ihren Zielen nähern.
Dass Autismus in Verbindung mit einer besonderen Fähigkeit nötig ist, um die »Anderen« wahrzunehmen, ist ein zusätzliches Thema, das mir am Herzen lag. Die Handlung hätte auch ohne diese Extravaganz funktioniert. Aber diese interessiert mich, seit mein Chemielehrer in der gymnasialen Mittelstufe meine Fragen zu den Elektronenhüllen ab der vierten Schale nicht schlüssig zu beantworten wusste. Meine schulische Diskussion vor über 50 Jahren gebe ich gegen Schluss des Romans im Dialog zwischen Jessica und Eugène sinngemäß wieder. Kein anderes belletristisches Medium als Science Fiction ist geeigneter, der Leserschaft verbleibende Rätsel unserer Seins nahezubringen. Wie viele Leser(innen) mag ein Sachbuch zu diesem Thema finden? Nur die, die sich ohnehin dafür interessieren.
Symbolisiert die Weltraumexpedition der drei Figuren den fruchtbaren gegenseitigen Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen als wesentlich für die menschliche Kultur? Warum?
Versehen mit humanistischer Bildungsbasis fiel mir in meinem technischen Beruf als Informatiker immer wieder auf, dass sich Technokraten darin gefallen, sich auf den Tunnelblick ihres Sachgebiets zu konzentrieren. In der Zeit der Coronakrise ist faszinierend zu verfolgen, welch‘ unterschiedliche Standpunkte eine Soziologin und ein Virologe in einer Talkshow zur selben Frage einnehmen. Die US-amerikanische Justiz nutzt mit der Zusammensetzung der Geschworenengremien die Vielfalt des menschlichen Spektrums, indem sie bewusst Hausfrauen, Atomphysiker, Ärztinnen und Baggerfahrer zur Wahrheitsfindung zusammenwürfelt. Es existieren Studien, die die Vorteile heterogener Gruppen nachweisen, sowohl was die Lösung sachlicher Probleme betrifft als auch in sozialer Hinsicht.
Vermutlich geht aus dem Roman hervor, dass ich gern Philosophie studiert hätte. Ich sah damals allerdings keine Möglichkeit, ein Examen dieser Disziplin in klingende Münze umzusetzen und Lehrer hatte ich auf keinen Fall werden wollen. Der Informatiker hat sich diesbezüglich als gute Wahl erwiesen, mich aber in kultureller Hinsicht stets unbefriedigt gelassen. Im Schreiben gewann ich die Möglichkeit, mich nach Belieben »austoben« zu dürfen. Hinzu kommt der Vorteil, dass ich für jedes Thema von vorn zu recherchieren gezwungen bin, was meine Lernfähigkeit hoffentlich intakt hält. »Tetragonium« ist das Werk, in dem autobiografische Aspekte bisher am stärksten durchschlagen.
Wie kommunizieren Menschen mit außerirdischen Wesenheiten? Wäre eine solche Kommunikation Ihrer Meinung nach wirklich möglich? Warum?
Das ist das Feld wildester Spekulationen. Die wichtigste Erkenntnis der Wissenschaft scheint mir die, dass das Periodensystem der Elemente im bekannten Kontinuum überall gleich ist. Da wir nicht davon ausgehen dürfen, dass Außerirdische uns über uns empfängliche Schallwellen erreichen oder unser beider Farbspektrum identisch ist, wäre eine »in Stein gemeißelte« Grafik von Atomen und Molekülen die Basis der Verständigung. Damit könnten wir jedem Kohlenwasserstoff-, Silizium- oder Seifenwesen klarmachen, dass wir zum Leben Sauerstoff und Wasser in flüssigem Zustand brauchen. Vielleicht erhalten wir eine Antwort.
Die genannte Erkenntnis schließt aus, dass Wesen im nicht-euklidischen Raum existieren, sodass wir uns zumindest »sehen« können dürften. Wie ich mittels Eugènes Selbstreflexionen darlege, ist die Zeit keine Dimension im euklidischen Sinn. Ich bin mir bewusst, dass ich damit im Widerspruch zu praktisch allen namhaften Wissenschaftlern stehe. Erst diese Annahme ermöglicht jedoch die Verständigung, denn zumindest gibt es keine Unsichtbarkeit durch Zeitverwerfungen. Dennoch wird das Entziffern außerirdischer Botschaften Generationen akribischer bis autistischer Feinarbeit kosten. Der glatte Ablauf, mit dem sich Eugène und Eustach als Seelenverwandte finden, ist unrealistisch und einer Leserschaft geschuldet, die keinen völlig seichten, aber nichtsdestoweniger unterhaltsamen Roman lesen möchte. Mein Wunsch ist, dass »Tetragonium« beiden Ansprüchen gerecht wird.
Wie war Ihre Erfahrung als Autor mit Europa Verlag? Würden Sie es wieder tun? Planen Sie, weitere Bücher zu schreiben?
Wie ich bereits zu »Schattenland« schrieb, gab es an Betreuung und Umsetzung nichts zu bemängeln. Vor allem das fertige Buch begeisterte nicht nur mich, sondern jeden, den ich befragte.
Wichtig war mir, durch die Redakteurinnen des Europa Verlags Zuspruch von anderer Seite als aus meinem Bekannten- und Verwandtenkreis zu erhalten. Dadurch bin ich sicher, dass meine Werke für lesbar und damit einhergehend für verkäuflich gehalten werden. Bei mir ohnehin gewogenen Personen bin ich nie sicher, ob ein Lob ehrlich gemeint ist oder dem Gefühl der Höflichkeit und Verpflichtung entspringt.
Bei der Zusammenarbeit mit dem Europa Verlag ist neben der Sorgfalt positiv anzumerken, dass sich die Lektorinnen auf die Beseitigung von Tippfehlern, Formulierungsschwächen und Dubletten beschränkten, ohne auf den Inhalt Einfluss nehmen zu wollen. Ich hatte bis zur Annahme meines ersten Romans keine Erfahrung mit renommierten Verlagen, aber über Klagen von Schriftstellern gelesen, die ihre Werke verfälscht sahen. Dieses Problem besteht nach meiner Erfahrung nicht. Mir ist klar, dass keine Texte mit dem Strafgesetz kollidieren dürfen, aber darin liegt auch nicht meine Motivation.
Eindeutige Antwort: Ich würde es wieder tun und bin derzeit dabei, einen Kriminalroman zu verfassen, mit dessen Ausarbeitung ich »dank« des schlechten Wetters recht gut vorankomme.
Wir danken dem Autor für die Beantwortung unserer Fragen und die Hilfe, den Text und die damit verbundenen Themen auf den Kern zu bringen. TETRAGONIUM von Michael Maniura, erschienen beim Verlag Europa Buch, verdient es, aufmerksam gelesen zu werden und lässt uns auf eine spannend literarische Reise gehen, die die Faszination der Science-Fiction und den Wissensdurst mit den existenziellen Fragen verbindet, die sich die Menschheit in jedem Zeitalter und an jedem Ort stellt.