Heute besprechen wir das Buch Schattenland von Michael Maniura, erschienen beim Verlag Europa Buch. Wir präsentieren hier ein Interview mit dem Autor des Buches, um die literarischen Aspekte und die wichtigsten Erfahrungen zu verdeutlichen, die in diesem Text verdichtet sind. Wir besprechen auch die wichtigsten Themen, die der Autor im Laufe seines Schreibens anspricht und die er mit seinen Leserinnen und Lesern teilen möchte.
Schattenland von Michael Maniura, erschienen beim Verlag Europa Buch, kann als eine Reise durch überschattete Landschaften definiert werden, die die Leserschaft in eine faszinierende Welt geografischer und kultureller Vielfalt führt. Ein muslimisch-christliches Ehepaar überlebt den gewaltigsten Vulkanausbruch seit 74.000 Jahren aus nächster Nähe und wird Zeuge dessen verheerender Auswirkungen.
Hier ist das Interview mit dem Autor: Viel Spaß beim Lesen.
Wie haben Sie die Hauptfiguren der Geschichte konstruiert und welche Werte verkörpern sie?
Bevor ich an »Schattenland« zu arbeiten begann, existierten Fatima und Johannes skizzenhaft bereits. Ich schreibe schon länger und fand zunächst keinen Verleger. So brachte ich meinen Essayband »Bitstaub« im self publishing-Verfahren heraus. In der Reiseerzählung »Pentateuch« engagieren Johannes‘ Vater und dessen Freund Fatimas Vater als Taxifahrer, der ihnen die Sehenswürdigkeiten Jordaniens zeigen soll. Da sich die Gruppe gut versteht, lädt Mohammed Nik und Cim zum Abschluss der Reise zum Abendessen zu sich nach Hause ein, wo diese die älteste Tochter Fatima kennenlernen. Die Geschichte endet mit der leise ausgesprochenen Hoffnung Niks, dass sein Sohn Interesse an Fatima entwickeln würde. Zunächst hatte ich andere Namen vergeben, aber plötzlich glomm in mir der Funke auf, aus den Figuren mehr zu machen, und ich entschloss mich, sie nach Mohammeds Lieblingstochter und Jesus‘ Lieblingsjünger zu nennen.
Während des Schreibens entwickelte die Handlung ein Eigenleben, indem sich der Schwerpunkt vom Vulkanausbruch auf die beiden Personen verlagerte. Was ich zunächst als Nebenhandlung betrachtet hatte, wurde auf einmal zum zentralen Punkt: Die Versöhnung zwischen Christentum und Islam, auf zwei Familien projeziert, die dazu unvoreingenommen bereit sind. Die Gläubigkeit des Ehepartners ist kein Hinderungsgrund, sondern verstärkt die gegenseitige Zuneigung.
Wie kann man Ihrer Meinung nach eine friedliche Begegnung und gegenseitige Anerkennung zwischen verschiedenen Religionen erreichen?
Im Grunde so, wie ich es in »Schattenland« schildere. Bedrückende äußere Umstände mögen eine friedliche Begegnung beschleunigen und vereinfachen, aber ohne die innere Bereitschaft zur Toleranz nützen auch sie nichts.
Meine persönlichen Erfahrungen mit Vertretern anderer Völker waren stets positiv. Voraussetzung auf beiden Seiten ist rudimentäre Kenntnis der jeweiligen Befindlichkeiten des anderen. Das Reisen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür. Leider war das während der vergangenen 1¼ Jahre stark eingeschränkt und wird möglicherweise nie mehr in der zwanglosen Form stattfinden dürfen, wie ich es seit den 1970er Jahren gewohnt war. Heutigen und künftigen Generationen wird unter Bedingungen wie den gegenwärtigen schwerer als meiner fallen, Verständnis und Anerkennung für das »Fremde« zu erlangen. Hinzu kommt das wachsende schlechte Gewissen, das den Menschen wegen der Umweltbelastung des Reisens eingeredet wird. Eingesperrt in die eigenen vier Wände haben es Solidarität und Empathie jedoch schwer, ihren Weg in die Herzen zu finden. Die Tendenz ist m. E. aktuell erkennbar.
Wie sehr beeinflusst der Zufall Ihrer Meinung nach das menschliche Geschehen und, umgekehrt, wie sehr kann der Mensch ein widriges Schicksal überwinden?
Es gilt zwischen dichterischen und wirklichen Zufällen zu unterscheiden. Die Begegnung zwischen Fatima und Johannes 13 Jahre, nachdem sich ihre Väter in Jordanien kennengelernt hatten, ist ein konstruierter Zufall, der im wirklichen Leben kaum vorkommen dürfte – andererseits wäre ohne derartige konstruierte Zufälle kaum je möglich, eine Handlung zu gestalten.
Scheinbar etwas anderes ist das Überwinden eines widrigen Schicksals. Scheinbar, weil das Individuum aktiv werden muss, um das zu erreichen. Wunder geschehen, aber nie, wenn man die Hände in den Schoß legt und darauf wartet. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit sein Schicksal, seine berufliche Entwicklung oder persönliche Entfaltung zu verbessern funktioniert nur mit Zugreifen, sonst ist die Chance auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Ich bin ein nüchterner Mensch und glaube an fast nichts, außer dass sich jeder Geist dieser Erde mit einem schönen dicken Knüppel unglaublich schnell remanifestieren lässt. Bisher konnte mir in beinahe 70 Jahren keiner das Gegenteil beweisen. Dennoch ist manchmal gespenstisch, wie sich Dinge zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen, ohne dass das vorher sichtbar gewesen wäre, wenn man sein Schicksal selbst in die Hand nimmt. Irgendwie bin ich ein Glückspilz, ohne je Lotto gespielt zu haben.
Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von anderen zum gleichen Thema?
Das eine Thema des Romans ist die erdumspannende Katastrophe eines Vulkanausbruchs, mit der ich aufzeigen möchte, dass der Mensch solchen Ereignissen allen Klimakonferenzen zum Trotz hilflos gegenübersteht und immer gegenüberstehen wird.
Das andere ist das zarte Pflänzchen der Versöhnung scheinbar unversöhnlicher Standpunkte und Weltanschauungen unter dem Wüten der Natur, das oberflächlich betrachtet keine andere Wahl als Einigkeit zulässt. Als häufiger Besucher islamischer Länder fielen mir dort immer wieder die Hilfsbereitschaft und die Zuvorkommenheit der einheimischen Bevölkerung auf, die dem Verhalten meiner europäischen Mitbürger überlegen ist – mir wurde nie auch nur ein Hosenknopf gestohlen. An dieser Erfahrung wollte ich meine Leserschaft nicht nur in diesem Werk teilhaben lassen. Wenn ich von meinen Reisen erzähle, werde ich häufig zwei Dinge gefragt: Welcher Veranstalter bietet denn solche Reisen an und: Ist das nicht gefährlich? Antworten: Der Veranstalter heißt Michael Maniura und auf dem Kölner Hauptbahnhof ist es gefährlicher als in Mali oder im Jemen – vorausgesetzt, man meidet Rebellengebiete.
Mir sind belletristische Werke bekannt, die Klimakatastrophen thematisieren, aber keins, das Natur und Religion in der behandelten Form verbindet. Da sehe ich mich originär.
Wie war Ihre Erfahrung als Autor mit Europa Verlag? Würden Sie es wieder tun? Planen Sie, weitere Bücher zu schreiben?
Lektorat und Satz wie die gesamte Veröffentlichungsarbeit waren sehr gut. Auch das Ergebnis in Form des physischen Buchs fand nicht nur bei mir Anklang. Für einen Rentner nicht ganz einfach zu bewältigen ist der Eigenanteil in Form des Ankaufs von 200 Büchern, zumal ich mit der vertraglich vereinbarten Rückzahlung des Betrags bei Erreichen von 500 verkauften Exemplaren bis zur Ausschüttung im April 2022 warten muss.
Insgesamt überwiegt die Zufriedenheit, was dadurch dokumentiert ist, dass ich Anfang Juni mit »Tetragonium« meinen zweiten Roman in Ihrem Haus veröffentlicht habe.
Zurzeit arbeite ich an einem Kriminalroman, dessen Inspiration ich den neuentwickelten Corona-Impfstoffen verdanke. Stichwort: Welchen Wert haben DNA-Tests, wenn Impfstoffe/Medikamente diese verändern? Ich versuche, ihn zur Frankfurter Buchmesse zu vollenden.
Da der Europa Verlag international vertreten ist, hoffe ich auf fremdsprachige Veröffentlichungen meiner Bücher, und zwar nicht nur meiner beiden Romane, sondern weiterer Novellen aus meinem self publishing-Fundus, da etliche miteinander verbunden sind, auch wie erwähnt mit »Schattenland«. Für die nicht beim Europa Verlag erschienenen Bücher behielt ich alle Rechte. Die vertraglichen Modalitäten von Übersetzungen sind mir unbekannt.
Wir danken dem Autor für die Beantwortung unserer Fragen und die Hilfe, den Text und die damit verbundenen Themen auf den Kern zu bringen. Schattenland von Michael Maniura, erschienen beim Verlag Europa Buch, verdient es, aufmerksam gelesen zu werden und lässt uns auf eine literarische Reise gehen, an deren Ende wir alle bewusster der Rolle des Dialoges zwischen Religionen und der Wichtigkeit der gegenseitigen Anerkennung werden können.