Heute besprechen wir das Buch PASCAL PAOLI UND DIE KORSISCHE VERFASSUNG von Ricarda Rapp, erschienen beim Verlag Europa Buch. Wir präsentieren hier ein Interview mit der Autorin des Buches, um die literarischen Aspekte und die wichtigsten Erfahrungen zu verdeutlichen, die in diesem Text verdichtet sind. Wir besprechen auch die wichtigsten Themen, die die Autorin im Laufe ihres Schreibens anspricht und die sie mit ihren Leserinnen und Lesern teilen möchte.
PASCAL PAOLI UND DIE KORSISCHE VERFASSUNG von Ricarda Rapp, erschienen beim Verlag Europa Buch, kann als eine spannende geschichtliche und politische Forschung über eine der ersten modernen Verfassungen definiert werden, die in Europa geschrieben wurden.
Das lange 19. Jahrhundert ist unter anderem geprägt von politischen Umbrüchen. Die Französische Revolution gipfelt in der Verfassung von 1791, der ersten modernen Verfassung Europas, die als Beginn des langen 19. Jahrhunderts gelten kann. Doch bereits 1755, Jahrzehnte vorher, formulierte Pascal Paoli, General und Staatsoberhaupt von Korsika, eine Verfassung für seine Insel.
1729 markierte das Jahr, in dem Korsika begann, sich gegen die genuesische Herrschaft aufzulehnen – es begann ein Unabhängigkeitskampf über fast ein halbes Jahrhundert, dessen Ende durch die französische Besatzung 1769 besiegelt wurde. Höhepunkt der Unabhängigkeitsbestrebungen war die Zeit von 1755 bis 1769, in denen die Genuesen unter Pascal Paoli weitgehend vertrieben wurden und der Versuch, einen funktionierenden Staat zu schaffen, stattfand.
Paoli war in seiner Zeit durchaus eine Berühmtheit, ein Held. Paoli und der korsische Kampf um die Unabhängigkeit galten als Symbol für den Kampf um die Freiheit und waren wohl vor allem für die Entwicklungen in Italien nicht unbedeutend. Zweifelsohne war auch die Verfassung von 1755 ein Novum. Jahrzehnte vor den bekannteren modernen Verfassungen von Frankreich und den USA, stellt sie ein ihnen sehr ähnliches Dokument dar, das man fast als moderne Verfassung bezeichnen kann. Das Dokument als solches wurde im Europa seiner Zeit jedoch nicht beachtet.
In der bisherigen Forschung wurde die Verfassung Korsikas von 1755 entweder als Factum hingenommen, oder aber gänzlich ignoriert. Nach einer Analyse mit aktuellen Definitionen des Begriffs „Verfassung“ in der Forschung sowie dem Vergleich mit den Verfassungen der USA und Frankreichs lässt sich festhalten, dass die korsische Verfassung in großen Teilen mit dem modernen Verfassungsbegriff übereinstimmt.
Waren nun Pascal Paoli und die Verfassung von 1755 ein europäisches Leitbild?
Dies ist die grundlegende Frage, die die Autorin des Buches stellt. Um mehr darüber zu erfahren, hier ist das Interview mit der Autorin: Viel Spaß beim Lesen.
Warum haben Sie sich entschlossen, ein Buch über die korsische Verfassung zu schreiben?
Im Rahmen der Lektüre für mein Studium bin ich zufällig darauf gestoßen, dass es bereits 1755 in Korsika eine „Verfassung“ gab. In meiner Abschlussarbeit habe ich mich dann näher mit diesem Thema beschäftigt. Der Anreiz war, dass die korsische Verfassung zumindest im deutschen Sprachraum sehr unbekannt ist. Hier gab es also für mich viel Neues zu erforschen. Andererseits fand ich es sehr spannend, dass diese Verfassung ja bereits 1755 in Kraft getreten ist, Jahrzehnte vor den berühmten Verfassungen der USA und Frankreichs. Ich wollte untersuchen, ob die korsische Verfassung ein Dokument ist, das mit den bekannteren vergleichbar ist. Ein Buch darüber zu verfassen hatte auch das Ziel, der Thematik aus ihrem Schattendasein herauszuholen und etwas mehr ins Bewusstsein der Geschichtswissenschaft, vor allem der Verfassungsgeschichte, zu rücken.
Was waren die Hauptmerkmale der korsischen Verfassung?
Die korsische Verfassung von 1755 greift Elemente korsischer Traditionen auf, die man als demokratisch und repräsentativ bezeichnen kann. Im Vergleich zu den Verfassungen Frankreichs und der USA kann festgestellt werden, dass alle wesentlichen inhaltlichen Elemente auch in der korsischen Verfassung zu finden sind. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist erkennbar, es existieren legislative, exekutive und judikative Institutionen.
Ein großer Unterschied zu anderen Verfassungen ist der große Rahmen, der Festlegungen in Bezug auf Strafrecht und Rechtsprechung eingeräumt wird. Dies ist dem Kontext der korsischen Geschichte geschuldet.
Bemerkenswert und prägend ist die Tatsache, dass die Verfassung im Zuge einer Unabhängigkeitsbewegung entstand – und so in einer Reihe mit der Verfassung der USA gesehen werden kann.
Wer war Pascal Paoli? Was waren seine politischen Ideen?
Pascal Paoli wird von Zeitzeugen als charismatische Führungspersönlichkeit beschrieben und erfuhr im Europa seiner Zeit große Berühmtheit und Beliebtheit.
Pascal Paoli war Staatsoberhaupt Korsikas von 1755 bis 1769, in der Periode, in der es Korsika gelang, weitgehend die genuesische Fremdherrschaft abzuschütteln. Die korsische Verfassung von 1755 wurde von ihm verfasst. Anhand der Inhalte der Verfassung lässt sich erschließen, dass sein politisches Ziel vor allem die korsische Unabhängigkeit und die Anerkennung Korsikas als Staat waren. Er stützte sich auf Traditionen, war jedoch auch sehr innovativ: So versuchte er, in der Verfassung die Gewaltenteilung, die erst kurz zuvor durch Montesquieu beschrieben worden war, in die Praxis umzusetzen. Seine genauen Hintergründe, Bildung und Motive, auch in der Regierungspraxis, bleiben noch genauer zu untersuchen. Dies ist ein Projekt, an dem ich momentan arbeite.
Welchen Einfluss hatte sie auf die französische republikanische Verfassung von 1791?
Ein Einfluss der korsischen Verfassung auf die französische, wie auch auf jede andere der frühen Verfassungen, ist nicht nachweisbar. Einige Tatsachen stellen jedoch die Möglichkeit offen, dass es zumindest einen ideellen Einfluss gegeben haben kann. Vor allem spricht dafür, dass Pascal Paoli und das aufständische Korsika in Europa sehr bekannt waren. Sowohl in politischen als auch in philosophischen Kreisen erfuhr das Thema große Aufmerksamkeit. Außerdem gibt es ja gewisse strukturelle und inhaltliche Parallelen der Verfassungen. Wenn man die französische Verfassung bei Seite lässt und sich auf die amerikanische konzentriert, dann empfehle ich, beide Präambeln zu lesen, es ist erstaunlich – in meinem Buch habe ich beide Präambeln in ihrem Wortlaut einander gegenübergestellt.
Wie war Ihre Erfahrung als Autor mit Europa Verlag? Würden Sie es wieder tun? Planen Sie, weitere Bücher zu schreiben?
Da dieses Buch meine Erstveröffentlichung ist, habe ich keine Vergleiche. Aber ich fühle mich freundlich und kompetent betreut.
Man denkt, nachdem das Buch verfasst ist, ist man als Autor fertig, aber danach kommen noch weitere Arbeitsschritte in Kooperation mit dem Verlag. So ist der Weg zum fertigen Buch und darüber hinaus recht intensiv gewesen. Ob es sich gelohnt hat, hoffe ich – ich werde es an der Resonanz des Publikums merken.
Momentan forsche ich an der korsischen Thematik weiter, bis es hier Ergebnisse gibt, wird es dauern, da die Forschung sehr intensiv und anspruchsvoll ist. Nebenbei habe ich noch andere Ideen im Kopf, die ich gern niederschreiben würde, aber der entscheidende Faktor ist die Zeit…
Wir danken der Autorin für die Beantwortung unserer Fragen und die Hilfe, den Text und die damit verbundenen Themen auf den Kern zu bringen. PASCAL PAOLI UND DIE KORSISCHE VERFASSUNG von Ricarda Rapp, erschienen beim Verlag Europa Buch, verdient es, aufmerksam gelesen zu werden und lässt uns auf eine geschichtliche und politische Reise gehen, an deren Ende wir eine klare Vorstellung von den Prozessen erhalten, die zur Abfassung der westlichen demokratischen Verfassungen führten.