Heute besprechen wir das Buch Meeresstille von Sylvia Rosenkranz-Hirschhäuser, erschienen beim Verlag Europa Buch. Wir präsentieren hier ein Interview mit der Autorin des Buches, um die literarischen Aspekte und die wichtigsten Erfahrungen zu verdeutlichen, die in diesem Text verdichtet sind. Wir besprechen auch die wichtigsten Themen, die die Autorin im Laufe ihres Schreibens anspricht und die sie mit ihren Leserinnen und Lesern teilen möchte.
Meeresstille von Sylvia Rosenkranz-Hirschhäuser, erschienen beim Verlag Europa Buch, kann als eine leidenschaftliche Geschichte der Innenforschung, des Leidens, der Liebe, der Flucht aus der Realität definiert werden. Im Hintergrund immer das Meer, seine Musik von Leben und Tod.
Hier ist das Interview mit der Autorin: Viel Spaß beim Lesen.
Welche Themen bestimmen das Buch?
Das Buch handelt von der problematischen Liebesbeziehung Majas und Jans. Ihre unterschiedlichen Lebensentwürfe und -situationen werden erzählt, ihre individuelle Emotionalität, die Sprachlosigkeit in den Begegnungen, die Reflexionsversuche verpasster Chancen werden beschrieben und gedeutet; auch Suchtprobleme sowie die Hinterfragung falscher Entscheidungen spielen eine Rolle in der Geschichte. Das Meer in seiner starken Faszination, fremde Länder und die Sehnsucht nach Ferne finden Ausdruck in dem Buch.
Die Geschichte spielt an verschiedenen Plätzen: in einer Kleinstadt, der Großstadt München und auf der Insel Sylt. Insofern werden diese Handlungsorte auch thematisiert.
Ebenso werden ein wenig die Berufsfelder einer Apotheke und das Leben als Seefahrer aufgegriffen.
Die innere Auseinandersetzung mit negativen Lebensgefühlen, die bleibende Frage, warum erfüllt sich die von Maja und Jan gefühlte Sehnsucht zu einander trotz vieler Bemühungen nicht, treibt den Handlungsverlauf des Romans bis zum unerwarteten Ende.
Wie ist der Zusammenhang zwischen Enttäuschung und Entwicklung Majas zu verstehen? Ist es möglich, glücklich zu sein, ohne völlig ehrlich zu sich selbst zu sein?
Maja wirkt äußerlich als zielstrebiger Mensch, der Entscheidungen treffen kann, indem er ein Studium beginnt und beendet, einen Ortswechsel ohne Schwierigkeiten bewältigt, heiratet, eine Familie gründet und einen Beruf ausübt. Insofern entwickelt sich Maja zunächst im herkömmlichen Sinne positiv. Erst mit der Auseinandersetzung ihres Innenlebens, dem Zulassen ihrer Gefühle Jan gegenüber wird ein Enttäuschtsein deutlich. Da Jan für Maja nicht greifbar ist, sondern zunächst an für sie unbekannten Orten lebt, kann Maja ihre emotionale Unzufriedenheit nicht aktiv lösen bzw. eigenständig ändern. Sie ist von Jans Verhalten ihr gegenüber abhängig.
Je ehrlicher Maja zu sich selbst ist bzw. wird, umso unglücklicher und enttäuschter wird sie, da sie ihre Situation nicht ändern kann.
Nach einer mehrtägigen Begegnung mit Jan entscheidet sie sich für ihre Kinder und verzichtet auf Jan. Bei der Begegnung zuvor war es Jan, der ein Zusammenkommen verhinderte durch die Beziehung zu einer anderen Frau. Majas Hochzeit war die Folge.
Jedes Mal wurde Maja durch ihre Handlungen im Grunde unglücklicher, einmal durch Erkennen der Unerreichbarkeit Jans, ein nächstes Mal durch eigenen Verzicht und während des letzten Zusammentreffens findet Maja keinen positiven Ausweg mehr aus ihrer für sie unglücklichen Situation.
Ist Selbsterkenntnis, basierend auf Majas innerer Reise, eine Bedingung für Glück? Warum?
Die Frage ist auf Maja bezogen schwer zu beantworten, da Maja zwar ihr Unglücklichsein empfindet und erkennt, aber nicht zu den ursprünglichen Gründen gelangt. Sie bleibt ja unglücklich, unruhig und erfolglos bei ihrer Suche nach Zufriedenheit. Jan bietet ihr nicht die erhoffte Glückserfüllung. Das Gegenteil ist der Fall. Anstatt sich damit abzufinden und Jan aufzugeben, um auf andere Weise ein glückliches Leben zu führen, vertieft Maja sich intensiver in ihr Unglück. Sie findet keinen Weg aus ihrem Negativdenken und letztlich gibt sie sich auf.
Wobei ich den Ausdruck ‚Glück‘ ‚unglücklich‘ finde. Glück ist bekanntlich ein Momentzustand, der generell nicht haltbar, d.h. konstant ist. Es geht bei Majas Drang, in der Beziehung zu Jan das vermeintliche Glück zu finden, mehr um die erfolglose Auseinandersetzung mit sich selbst. Maja setzt ihre Energie und Kraft für ein Zusammensein mit Jan ein und erhofft sich dadurch Zufriedenheit. Sie verpasst die Möglichkeit, Jan loszulassen, sie ist gefühlsmäßig nicht dazu fähig. Die Frage nach dem Warum bleibt unbeantwortet. Oft sind es genau diese Fragen, die nicht zu beantworten sind im Leben.
Welche Rolle spielt das Meer in dem Roman?
Das Meer ist Sehnsuchtsort, Ferne, Weite, Grenzenlosigkeit, manchmal Stille und manchmal Lärm, Ruhe in der Bewegung. Das Meer steht für Kraft und Energie, für Aufgewühltsein einerseits und Gleichförmigkeit andererseits, es steht für Tiefe, für intensive Farben, für Undurchsichtigkeit, für intensiven Geschmack und für viele Geheimnisse.
Es steht für Emotionen, unterschiedlichste Empfindungen wie Wut, Aufregung, Beruhigung, Ausgeglichenheit, Ängste bei starkem Seegang, Freude bei windstillem Wetter und ruhig glänzender Meeresfläche. Ein Wechsel der Gefühle, Ebbe und Flut. Hohe Wellen schlagen oder ruhige, glänzende Fläche – das Meer assoziiert Lebensgefühle. Das Meer verbindet und trennt. Es birgt Gefahren und bietet Nahrung. All dies verbindet sich mit der Geschichte im Buch. Es findet sich auf vielen Seiten in vielfältiger Weise.
Jan liebt das Meer, weil er dort geboren wurde und das Meer zu seinem positiven Lebensgefühl gehört. Er holt sich dieses Gefühl wieder, in dem er aus der Mitte Deutschlands aufbricht und zur See fährt. Dort fühlt er sich aufgehoben. Seine Sehnsucht wird gestillt, wenn er fremde Länder bereisen kann. Später lebt er am Meer auf der Insel. Das Meer lässt ihn ruhig bleiben. Er braucht wenig mehr. Auch Maja fühlt sich wohl am Meer, es ist ihr seit Kindheitstagen durch Ferienaufenthalte vertraut. Warum sie sich dem Meer zuletzt anvertraut, bleibt offen.
Wir danken der Autorin für die Beantwortung unserer Fragen und die Hilfe, den Text und die damit verbundenen Themen auf den Kern zu bringen. Meeresstille von Sylvia Rosenkranz-Hirschhäuser, erschienen beim Verlag Europa Buch, verdient es, aufmerksam gelesen zu werden und lässt uns auf eine innere Reise auf der Suche nach authentischen Gefühlen gehen, an deren Ende wir alle bewusster der Rolle der Liebe und des Leidens in unserem Leben werden können.