Heute besprechen wir das Buch DAS GRAB BEI DEN DRAI KASTANNIGEN von Nicole Wagener, erschienen beim Verlag Europa Buch. Wir präsentieren hier ein Interview mit der Autorin des Buches, um die literarischen Aspekte und die wichtigsten Erfahrungen zu verdeutlichen, die in diesem Text verdichtet sind. Wir besprechen auch die wichtigsten Themen, die die Autorin im Laufe ihres Schreibens anspricht und die sie mit ihren Leserinnen und Lesern teilen möchte.
DAS GRAB BEI DEN DRAI KASTANNIGEN von Nicole Wagener, erschienen beim Verlag Europa Buch, ist ein Krimi, der in einer kleinen Stadt in Westfalen, Wiek, im Jahr 1833 spielt: Ein Kommissar muss einen schrecklichen Fall aufklären. Unter den Drai Kastannigen (drei Kastanien) wird ein geheimnisvolles Grab eines neugeborenen Kindes gefunden.
Wessen Kind war es? Warum ist es dort begraben? War es bereits tot, als es geboren wurde oder wurde es ermordet? Wenn ja, warum und wer hat ihm das angetan??
Dieser Fall wird für unseren Kommissar nicht einfach zu lösen sein…
Hier ist das Interview mit der Autorin: Viel Spaß beim Lesen.
Welche Themen bestimmen Ihren Roman?
Es sind sicherlich mehrere Themen, die die Erzählung bzw. diese Kriminalgeschichte vor dem historischen Background der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Münsterland bestimmen. Eine zentrale Rolle spielt, neben dem Kriminalfall selbst natürlich, die Frage der Schuld. Die Frage danach, wie subjektiv oder objektiv sie geprägt sein kann, aber auch inwiefern der Einzelne sich überhaupt bewusst ist, dass er sich schuldig macht, wo Schuld ihren Anfang und wo bzw. ob sie ein Ende findet.
Dann sind da die Themen der Zeit, in der der Roman spielt. Der deutsche Vormärz ist eine Epoche, die eher selten als Hintergrund für historische Erzählungen gewählt wird. Dabei ist sie eine Phase großer Umbrüche und eine Zeit, in der verschiedene Paradigmen und Weltanschauungen teilweise unversöhnlich miteinander konkurrieren, eine Zeit, in der der Arm des Staates weit in das Privatleben der Menschen hineinreicht, so wie wir es heute wieder in vielen Staaten dieser Welt und selbst in Europa erleben. Dies zu thematisieren und in Erinnerung zu rufen, empfinde ich als ebenso spannend wie beispielsweise auch die Thematisierung der Rolle der Frau in der damaligen Zeit oder der sozialen und gesellschaftlichen Gegensätze, aber auch zu jener Zeit aktueller philosophischer Schulen und Überlegungen. Insbesondere die Frage danach, wie objektiv unsere persönliche Wahrnehmung überhaupt sein kann, fasziniert mich persönlich auch immer wieder.
Welches sind die Hauptcharaktere? Wie verändern sich diese im Laufe des Buches und warum?
Der Hauptcharakter der Geschichte ist Hubertus Scholz, Kriminalkommissar der Königlich Preußischen Regierung, ansässig im münsterländischen Koesfeld, von wo aus er als Beamter der noch jungen Kriminalpolizei in dieser und in folgenden Erzählungen vor allem im ländlichen Umland der Stadt in verschiedenen Kriminalfällen ermitteln wird. Der Kommissar ist ein studierter und relativ liberaler Zeitgenosse, welcher, in seinen späten Vierzigern, ein wenig ein Mann zwischen den Zeiten ist. So sieht er sich einerseits traditionellen Werten und Umgangsformen verpflichtet, ist aber durchaus, auch vor dem Hintergrund, dass er vier heranwachsende Kinder hat, den Ideen der neuen Zeit gegenüber offen und philosophisch interessiert. Seine Gedankengänge über den Wandel der Zeit ziehen sich wie ein roter Faden durch die verschiedenen Erzählungen. Weitere Hauptcharaktere sind Mia, die Tochter des Dorfarztes, welcher den Kommissar bei seinen Ermittlungen unterstützt. Erstere ist ein wenig geheimnisvoll und irgendwie schwer greifbar, ihrer Zeit um Längen voraus und übt deshalb eine besondere Faszination auf den Kommissar aus. Ihr Vater ist umso geradliniger und ebenso wie der Dorfpfarrer ein Charakter, dem daran liegt, die Wahrheit in umsichtiger Nachforschung zu suchen.
Was möchten Sie den Leserinnen und Lesern vermitteln?
Es ist mir sehr wichtig, dem Leser bzw. der Leserin keine Meinung überzustülpen. Vielmehr möchte ich sie auf eine Reise mitnehmen, an deren Wegesrand sich verschiedenste Gedankengänge und Überlegungen auftun, die ich für wert empfinde, dass man sich mit ihnen beschäftigt bzw. die ich persönlich interessant finde. Grundsätzlich bin ich keine Freundin absoluter Wahrheiten und empfinde die Angebote, die in der Geschichte gemacht werden, als wirkliche Angebote bzw. Einladungen, gerade in einer Zeit, in der auf der einen Seite so Vieles wieder absolut gesetzt und auf der anderen Seite alles relativiert wird.
Dann möchte ich auch das Interesse der Leser für eine Zeit wecken, die, wie gesagt, in der Belletristik eher weniger thematisiert wird, die ich aber für spannend und eine äußerst wichtige Epoche halte im Hinblick darauf, dass aus ihr unsere deutsche Nation hervorgegangen ist und Vieles ausgehandelt wird, das uns bis heute prägt und beschäftigt.
Wie würden Sie Ihren Schreibstil beschreiben und auf welche literarischen Modelle beziehen Sie sich?
Ich würde meinen Schreibstil so beschreiben, wie es auch die meisten derjenigen tun, die die Erzählung bislang gelesen haben, er ist einerseits ein wenig altertümlich, prosaisch und episch, und damit eine gewisse Reminiszenz an die Zeit, in der die Geschichten spielen, andererseits aber auch manchmal ein wenig modern, humorvoll und mit einem gewissen Augenzwinkern versetzt. Auch die regionale Mundart jener Zeit im Münsterländischen, das Plattdeutsche, spielt eine gewisse Rolle, auch wenn ich es so einsetzte, dass es auch für eine Leserschaft, die nicht aus der Region stammt, möglichst verständlich ist. Es ist aber für ein gewisses Flair, das die Geschichte umgibt, unabdingbar und auch, um dieser eine gewisse Authentizität zu vermitteln.
Ich kann nicht sagen, dass ich konkrete literarische Vorbilder habe. Was den Ermittlungsstil und den Aufbau der Kriminalgeschichte angeht, sehe ich mich ein wenig in der englischen Tradition z.B. Agatha Christies. Heute gibt es in den meisten Kriminalgeschichten viel Blut und psychische Abgründe. Darauf verzichte ich bewusst und wähle einen eher klassischen Erzählstil. Ich mag auch den detailgetreuen Erzählstil der Japaner, Murakamis, Mishimas oder Kawabatas, aber auch Theodor Fontanes beispielsweise und wie sie Atmosphäre kreieren. Auch dies mag in meinen eigenen Stil miteinfließen.
Wie war Ihre Verlagserfahrung mit Europa Buch? Planen Sie, weitere Bücher zu schreiben?
Ich fühle mich beim Europa Buch Verlag sehr gut aufgehoben. Als Autorin steht man in permanentem Kontakt mit den verschiedensten Personen, welche ihre jeweiligen Aufgabengebiete vertreten und den Veröffentlichungsprozess mit Engagement und guten Ideen begleiten.
Momentan arbeite ich an einem Folgeroman, selbstverständlich auch mit unserem Kriminalkommissar Hubertus Scholz, welcher diesmal in einem kleinen, verschneiten Tal des Münsterlandes ermittelt. In meinem Kopf spuken eine ganze Reihe von Ideen für Fortsetzungen der Reihe herum, so dass es durchaus denkbar ist, dass wir den Kommissar und die Entwicklung seiner Geschichte eine Weile verfolgen können. Ich jedenfalls würde mich sehr darüber freuen.
Wir danken der Autorin für die Beantwortung unserer Fragen und die Hilfe, den Text und die damit verbundenen Themen auf den Kern zu bringen. DAS GRAB BEI DEN DRAI KASTANNIGEN von Nicole Wagener, erschienen beim Verlag Europa Buch, verdient es, aufmerksam gelesen zu werden, weil der Roman geschickt die Freude an der Beschreibung und der historischen Darstellung von Schauplätzen und Personen mit der wachsenden Spannung bei der Lösung eines Falles verbindet, in den sich der Leser bzw. die Leserin einbezogen fühlt.