Heute besprechen wir das Buch MAROKKO – GANZ NAH, von Wolfgang Hunsinger, erschienen beim Verlag Europa Buch. Wir präsentieren hier ein Interview mit dem Autor des Buches, um die literarischen Aspekte und die wichtigsten Erfahrungen zu verdeutlichen, die in diesem Text verdichtet sind. Wir besprechen auch die wichtigsten Themen, die der Autor im Laufe seines Schreibens anspricht und die er mit seinen Leserinnen und Lesern teilen möchte.
MAROKKO – GANZ NAH, von Wolfgang Hunsinger, erschienen beim Verlag Europa Buch, ist eine kulturelle und literarische Untersuchung der Lebensweise und des Alltags in Marokko aus einer Perspektive, die den Augen der Touristen verborgen bleibt. Bei näherer Betrachtung handelt es sich um eine anthropologische Untersuchung, die tief in die Verbindungen zwischen den Bereichen Ritual, Magie und Traditionen der marokkanischen Gesellschaft eindringt und die Beziehung zwischen diesen Elementen und dem Einbruch der Moderne untersucht.
Um mehr darüber zu erfahren, ist hier das Interview mit dem Autor: Viel Spaß beim Lesen.
Welche Themen bestimmen das Buch?
1. Die Marokkanische Gesellschaft: heterogen, gespalten
Wahrung des Scheins / Armut und Elite
Kulturelles Konglomerat / Mehrsprachigkeit / Einfluss des Westens über Medien
Tradition in Riten und Verhalten / „Arabisierung“ / nationaler Identitätsverlust
2. Talismane / Magie / Tätowierung: als Schutz gegen Verwünschungen und Verschwörungen
Hieroglyphen der Tätowierung auch auf Teppichen / Holz / Schmuck
Motiv der Hand gegen den „bösen Blick“
Rituelle Handlungen zur Geisterbeschwörung
3. Die Kunst: in Architektur (Schatten und Licht = Verborgenes hinter dem Sichtbaren) /
Kuppeln, Hufeisenbogen – Symbole des Kosmos
Zellij / Rosette (Zentrum symbolisiert die Kaaba)
Desinteresse an Kunst / kaum Kunsterziehung an Schulen
4. Lehrmethoden: Lehrerzentrierter Unterricht / Arabisierung des Unterrichtswesens
5. Franzosen in Marokko: als Entsandte oder Eingebürgerte (privilegiert oder verarmt)
6. Die „Anmache“: Homoerotisches Interesse zwischen Marokkanern (geheim) / zwischen
Europäern und Marokkanern (offener), „Anmachversuche“ von Ausländern
Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von anderen zum gleichen Thema?
Das Buch ist kein Reiseführer wie andere Bücher über Marokko und gibt keine Expertentipps, das Land von seiner besten Seite zu erleben. Es befasst sich nicht mit Geografie und Geschichte des Landes, mit Planung der Reise oder Hotel- und Grundinformationen.
Es sind die persönlichen Memoiren eines Entsandten, der neun Jahre in Marokko gelebt und gearbeitet hat; Es sind Eindrücke aus der Positionierung des fremden und im Wechsel dazu des eigenen Blicks. Wie blicken die Einheimischen auf ihn als den Fremden und Europäer, als den Nicht-Angepassten oder auch den Vorgesetzten? Auffallend für den Autor im Land sind Unterschiede in Kultur, Mentalität und Verhalten.
Nach ersten überwältigenden Sinneseindrücken wie der exotischen Farbenpracht, den aromatischen Gewürzen, dem Straßenleben überrascht das Verhalten des Diebes beim Treffen mit dem Geschädigten; Anstatt erwarteten Unrechtsbewusstseins sieht der Einbrecher sich mit dem Bestohlenen wie freundschaftlich verbunden.
Irritierend die Vorurteile und das Unverständnis auf Seiten der Vorgesetzten des Autors (geringe Wertschätzung fachlicher Kompetenz; Äußerlichkeiten entscheiden bei der Notengebung); Der Autor selbst in seiner Funktion als Lektor oder „Inspecteur“ sieht sich bei Bewertung konfrontiert mit fehlender Einsicht.
Rätselhaft der feste Glaube an Zauberwirkung einerseits und das tiefe Bekenntnis zum Propheten Mohamed bzw. zum Koran andererseits;
Kaum verwunderlich der ausgeprägte „culture clash“ bei Vorführung deutscher Filmklassiker vor Marokkanern im Institut Français.
Nach der Rückkehr kritischer gewordener Blick auf das Land: die früher von Neugier geprägte Aufgeschlossenheit Ausländern gegenüber scheint nachzulassen. Gründe: Die Islamisierung des Landes im gesellschaftlichen Umfeld und das Erstarken konservativ-islamistischer Kreise. Dennoch die Faszination für ein Land, das sich auch im Wandel seine Magie, Rituale und tiefe Mystik bewahrt hat.
Was möchten Sie den Leserinnen und Lesern vermitteln?
Es geht darum, den Leser vertraut zu machen mit der Kultur- und Mentalitätskonfrontation des damals in Marokko lebenden Autors und ihm neben anekdotisch gefärbter Narration kulturwissenschaftliche Kenntnisse zu vermitteln über Sinn und Bedeutung kryptischer Zeichen der Talismane, der Symbolzeichen auf Schmuck, Holz und Teppichen oder der vom Sufismus inspirierten Formen der Architektur und Rosetten.
Dem Leser sollte nicht nur die Schönheit des Landes bewusstwerden, sondern er sollte auch trotz des zunehmend rigiden und tiefreligiösen Denkens seiner Bewohner offen bleiben für dessen Bewahrung seiner Traditionen, seiner Magie und Mythen neben den Errungenschaften der Moderne unter dem medialen Einfluss des Westens.
Wie würden Sie Ihren Schreibstil beschreiben und auf welche literarischen Modelle beziehen Sie sich?
Zwar habe ich keine literarischen Vorbilder, dennoch Lieblingsautoren; Es sind klassische Schriftsteller wie Gustave Flaubert, Albert Camus oder auch Nagib Machfus, Elias Canetti und andere.
Ich lege Wert auf Klarheit von Wort und Satz unter möglicher Vermeidung von wissenschaftlichem Fachvokabular, von Redundanz, Füllwörtern und übergroßer Satzlänge. Wichtig ist mir das Leseverständnis. Die Schilderung persönlicher Erlebnisse sollten für den Leser nachvollziehbar sein, als überzeugend wahrgenommen werden und authentisch „rüberkommen“.
Die Erzählstruktur ist charakterisiert durch eine Fülle amüsanter Anekdoten mit poetischen Einschüben, überraschenden Wendungen und zuweilen unerwartetem Ausklang eines Schlusskapitels.
Die unterhaltsamen Episoden neben kulturwissenschaftlichen Informationen dienen dazu, das Interesse des Lesers wachzuhalten.
Wie war Ihre Verlagserfahrung mit Europa Buch? Planen Sie, weitere Bücher zu schreiben?
Ein großes Problem über Monate waren ständig wechselnde Ansprechpartner. Eine kompetente und verlässliche Person war in den letzten Wochen: Frau Jennifer Püschel.
Auch das Lektorat verlief zäh und zog sich durch immer wieder notwendige Nachbesserungen in die Länge. Dennoch: Das Buch ist gelungen, ich bin sehr zufrieden. Ein Lob an die aktive und engagierte Presseabteilung des Verlags!
Zur letzten Frage: Ich werde weiterschreiben und bin schon dabei.
Wir danken dem Autor für die Beantwortung unserer Fragen und die Hilfe, den Text und die damit verbundenen Themen auf den Kern zu bringen. MAROKKO – GANZ NAH, von Wolfgang Hunsinger, erschienen beim Verlag Europa Buch verdient es, aufmerksam gelesen zu werden und lässt uns auf eine literarische und kulturelle Reise gehen, an deren Ende wir verstehen, woraus Mentalitätskonfrontation und echte inklusive Erfahrung des Fremden bestehen.