Heute besprechen wir das Buch Zu mir zurück von Rolf Blessing, erschienen beim Verlag Europa Buch. Wir präsentieren hier ein Interview mit dem Autor des Buches, um die literarischen Aspekte und die wichtigsten Erfahrungen zu verdeutlichen, die in diesem Text verdichtet sind. Wir besprechen auch die wichtigsten Themen, die der Autor im Laufe seines Schreibens anspricht und die er mit seinen Leserinnen und Lesern teilen möchte.
Zu mir zurück von Rolf Blessing, erschienen beim Verlag Europa Buch, ist eine Sammlung von Gedichten. Sie erzählen vom starken Willen zu sich zurück zu finden, von der Sehnsucht nach einem Wiedersehen mit der Natur in Form von Bergen, Wäldern und Gewässern. Immer wieder taucht ein starkes Verlangen nach Bewegung, Freiheit und Natur auf. Der Autor thematisiert die Vielfalt der positiven Aspekte der Natur auf den Menschen. Sie ermöglicht uns Distanz zu unserem hektischen und von elektronischen Einflüssen überströmten Leben zu nehmen, sich zunächst in der Natur zu verlieren, um in sich selbst zu kehren und ein Wiederfinden zu ermöglichen. Seine Gedichte sind aktuell, wenn man sie auf die Corona bedingte Zeit mit Zwangsvorschriften bezieht, in der wir in unseren privaten und beruflichen Bereichen eingeschränkt wurden. Gleichzeitig sind seine Verse auch zeitlos. Durch Motive und Vergleiche aus der schönen und atemberaubenden Landschaft und Schöpfung selbst wird gezeigt, dass der Mensch durch diese, neue und wertvolle Erkenntnisse über sich selbst schließen kann. Der Autor variiert nicht nur in der Themenauswahl, sondern auch in der Perspektive und lädt uns zu einem Perspektivenwechsel ein. Stillstand und Stillleben ermöglichen wie der Maler sein Motiv „selbst arrangieren kann[,] wie die Dinge zueinanderstehen[,] wie sie sich im Licht zeigen, wie sie Schatten werfen“.
Hier ist das Interview mit dem Autor: Viel Spaß beim Lesen.
Welche Themen bestimmen das Buch?
Ein gewisser Teil der Gedichte – wie auch insbesondere das titelgebende Gedicht – beschäftigt sich damit, die Vergangenheit als Anlauf für die Gegenwart und für die Zukunft zu nehmen; auf dem neu aufzusetzen, was Bestand hat und das abzuhaken, was sich als sinn- oder wertlos erwiesen hat.
Dabei belächle ich die Vorbeihastenden (Die Schlüssellosen) und Unmündigen (Ich hab den Farbfilm vergessen). Und ich weiß, welche Wände ich meide, an denen man sich blutige Köpfe holen kann (Ich sehe das Blut auf meine Füße tropfen).
Ein wichtiges Thema ist das “Anderssein”; ob es die Zwangsarbeiter (Russen), aufrechte Politiker (Der Füsilierte), heruntergekommene Musikanten (Zwei Musikanten), ein Dummkopf (Der Dummkopf) oder die Blinden (Spiel der Blinden) sind.
Schließlich rege ich an, sich mit dem Thema der “Perspektive” zu beschäftigen (Perspektive, Lebenstraum, Das Rennen ist gelaufen, Wie von Picassos Hand). Es gibt bekanntlich nicht nur eine Wahrheit oder nicht nur eine Sichtweise. Und wer sich ab und zu umdreht und nach hinten schaut oder die Welt aus der Sicht eines Käfers vom Boden aus betrachtet, sieht die Welt möglicher plötzlich mit ganz anderen Augen.
Warum haben Sie sich entschlossen, ein Buch darüber zu schreiben?
Zeitlebens habe ich mit gesellschaftlichen und das Leben des Menschen betreffenden Themen beschäftigt und auch viel “zu Papier” gebracht. Das Meiste davon landete jedoch in der Schublade. Erst durch die Erfahrung intensiver persönlicher Ereignisse und dem Entschluss, nicht länger zu warten, habe ich den Schritt in die Öffentlichkeit gesucht und gefunden. Dabei ist mir von vielen Seiten unerwartete Unterstützung zuteil geworden, so dass ich jeden ermutigen möchte, es mir gleichzutun.
Heutzutage sind nämlich der Fortschritt und das Tempo des Lebens so entscheidende Faktoren geworden, dass Vieles zu kurz kommt oder droht, in Vergessenheit zu geraten. Jemand, der sich mit meinem Buch befasst, ist gezwungen, innezuhalten, sich Gedanken zu machen und wird vielleicht mit dem einen oder anderen Gedicht (“Vous entdendez la musiques des gris-gris?”, “Prag in grau” oder “Norderney IV”) kurz in eine andere Welt eintauchen.
Es ist nicht mein erstes Buch dieser Art und wird nicht das letzte sein. Es ist eine konsequente Fortsetzung meiner bisher veröffentlichten Gedichtbände a) “Betrachtungen eines Halbtoten” und b) “War ich bisher ein Drachentöter”. Diese zeigen ebenfalls in die vorgenannten thematischen Richtungen und beschäftigen sich zudem mit der Vergänglichkeit unserer Daseins (a) und unserer Pläne (b). Der vierte Gedichtband ist bereits so gut wie fertig und es wird auf jeden Fall ein fünfter folgen.
Wie ermöglicht die Natur dem modernen Menschen, sich selbst zu finden?
Der „moderne“ Mensch benötigt nichts anderes als „eigene Zeit“. Natur findet sich selbst in der schlimmsten Industrielandschaft, wenn man sie des Sonntagmorgens, wo alle Maschinen stillstehen, aufsucht und sieht, wie sich Pionierpflanzen schon wieder ansiedeln, man die Vögel singen hört und die Sonnenstrahlen beobachtet, wie sie aus dem Nichts wunderbare Schattenwerke schaffen. Es liegt nicht an der Natur – die ist immer da; es liegt an uns selbst, sie (die Natur) und damit sich selbst zu finden. Dazu benötigt man keine aufwendige Reise, keinen besonderen Ort, sondern lediglich die Bereitschaft, offen zu sein und alles wahrzunehmen, was es um einen herum zu sehen, hören, riechen oder fühlen gibt.
Welcher Zusammenhang besteht Ihrer Meinung nach zwischen technischem Fortschritt und Glück?
Zwischen Fortschritt und Glück besteht kein Zusammenhang! Glück empfindet man immer nur für einen Moment. Man kann es nicht erzwingen, weder mit Geld noch mit Fortschritt. Man kann vielleicht Umstände schaffen, die es begünstigen, dass sich Glück einstellt. Aber viel wichtiger ist es, dass Glück überhaupt an sich heran zu lassen, passiv und nicht aktiv. Technischer Fortschritt hat es dem Menschen ermöglicht (zumindest in den westlichen Ländern), in Wohlstand zu leben. Hinzu kommen die medizinischen Fortschritte, die sogar viele Zivilisationskrankheiten in den Griff bekommen haben. Aber sind die Menschen deshalb glücklicher? Unzufriedenheit und eine herabgesenkte Reizschwelle kennzeichnen die Medienberichterstattung unserer Tage und über Glück wird dort eher selten berichtet. Wenn überhaupt, dann wird Glück mit Erfolg gleichgesetzt, manchmal auch mit Zufriedenheit oder Dankbarkeit.
Was wollen Ihre Gedichte mitteilen und welche Ausdrucksmittel verwenden sie?
Meine Gedichte sollen dem „modernen“ Menschen etwas an die Hand geben, womit er sich beschäftigen kann, ohne dabei auf den Erfolg oder das Erreichen eines Zieles zu schielen. Insofern teilen Sie ihm mit, dass es noch etwas anderes gibt, als die Dinge, mit denen er die meiste Zeit seines Lebens verbringt oder glaubt, verbringen zu müssen.
Als Ausdrucksmittel verwende ich eine mehr- oder vieldeutige Begrifflichkeit in meinen Worten und mache sehr gerne Denkpausen, um dem Leser die Möglichkeit zu geben, das Gesagte mit dem Vorherigen, dem Folgenden oder Beidem in Verbindung zu bringen.
Meine Gedichte sind kurz und überschreiten selten eine Seite. Längere Gedichte halte ich für schwierig, da sie den Leser oft überfordern und mein Ziel, einen Gedanken zu vermitteln, verfehlen würden.
Die früher oft verwendete Form des Reims bei Gedichten (in welcher Form auch immer) halte ich zwar teilweise auch für anspruchsvoll, für meine Zwecke aber nicht als geeignet, weil es mir ausschließlich auf den Sinn meiner Worte ankommt und nicht auf eine, wie auch immer geartete, gefällige Art des Vortrages.
Wir danken dem Autor für die Beantwortung unserer Fragen und die Hilfe, den Text und die damit verbundenen Themen auf den Kern zu bringen. Zu mir zurück von Rolf Blessing, erschienen beim Verlag Europa Buch, verdient es, aufmerksam gelesen zu werden, denn die Gedichte sind auf das innere Ich als Individuum bezogen, auf Schwierigkeiten des täglichen Lebens. Dabei bedient sich der Autor Bildern und Metaphern aus der Kunst, Natur- und Tierwelt, sowie Allzweckgegenständen. Seine lyrischen Zeilen sind niemals banal, sondern erwecken im Leser Vertrautheit und Nachdenklichkeit.